Urteil: Verwaltungsgericht Berlin entscheidet zur Wirksamkeit von sog. Abwendungsvereinbarungen

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat in mehreren Verfahren am 9. Mai 2023 über die Wirksamkeit sog. Abwendungsvereinbarungen entschieden, die zwischen Grundstückseigentümern und Bezirksämtern abgeschlossen wurden.

Sachverhalt

In den Berliner Verfahren ging es um die Abwendungsvereinbarung, die die Bezirksämter mit Käufern von Grundstücken mit Mietwohnungen in sozialen Erhaltungsgebieten (Milieuschutzgebieten) in den vergangenen Jahren abgeschlossen hatten. Mit diesen Verträgen konnten Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Bezirke abwenden, wenn sie sich dazu verpflichteten, das Kaufgrundstück entsprechend den Zielen der jeweiligen Erhaltungsverordnungen in den Milieuschutzgebieten zu nutzen.

Hintergrund dieser Verfahren war die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom November 2021, das die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts (auch) in sozialen Erhaltungsgebieten ausgeschlossen hatte, wenn die vorhandene Bebauung und Nutzung des Grundstücks den Festsetzungen eines Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme entsprechen.

Die Kläger der hier entschiedenen acht Klageverfahren erwarben in den vergangenen Jahren verschiedene, mit größeren Wohnhäusern bebaute Grundstücke in Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow. Die Grundstücke liegen jeweils im Geltungsbereich von Verordnungen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (sog. Milieuschutzgebiete).

Um das von den Bezirken geltend gemachte Vorkaufsrecht abzuwenden, schlossen die Klägerinnen jeweils mit den Bezirken Vereinbarungen, wonach die Bezirke auf die Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts verzichten. Gleichzeitig verpflichteten sich die Erwerberinnen, für einen bestimmten Zeitraum auf die Begründung von Wohneigentum und auf Veränderungen auf ihrem Kaufgrundstück zu verzichten.

Erst nach Abschluss dieser Abwendungsvereinbarungen erfolgte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021.

Unter Berufung auf dieses Urteil klagten sodann die Eigentümerinnen vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sie machten geltend, dass sie an Abwendungsvereinbarungen mit den Bezirken nicht mehr gebunden seien. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ergebe sich, dass die Bezirke sich eine unzulässige Gegenleistung hätten versprechen lassen.

Begründung
Die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin folgte dieser Ansicht nicht. Die Beteiligten seien sich im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen übereinstimmend bewusst darüber gewesen, dass die rechtlichen Grenzen des bezirklichen Vorkaufsrechts und die Voraussetzungen für dessen Abwendung höchstrichterlich noch nicht geklärt waren.

Vielmehr seien die Vereinbarungen geschlossen worden, um durch einen umfassenden Vergleich insoweit Rechtssicherheit zu schaffen. Im Gegenzug für die jeweils übernommenen Verpflichtungen hätten die Bezirke auf die Geltendmachung verzichtet und dadurch einen schnellen Vollzug der Kaufverträge ermöglicht. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes sei nicht nachträglich die Geschäftsgrundlage für die Abwendungsvereinbarungen entfallen.

Die hier zitierten Urteile mit dem Aktenzeichen VG 13 K 255/22 und andere, sind derzeit noch nicht veröffentlicht. Gegen alle Urteile kann noch der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss der 19. Kammer
Unabhängig davon wurde bereits im Jahr 2022 der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin der 19. Kammer (19 L 112/22) veröffentlicht. In diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ging es auch um die Angreifbarkeit von Abwendungsvereinbarungen, die mit den jeweiligen Bezirken (dort Neukölln) abgeschlossen wurden.

Nach Abschluss dieser Abwendungsvereinbarungen und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2021 hatten die Eigentümer die Kündigung der Abwendungsvereinbarungen erklärt. In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellte die 19. Kammer des Verwaltungsgerichtes fest, dass die Kündigung wirksam war und damit der Bezirk aus der Abwendungsvereinbarung keine Rechte mehr ableiten konnte.

Das Vorkaufsrecht war nicht Gegenstand der gegenseitigen vertraglichen Pflichten, sondern diente ihnen als Grundlage. Die 19. Kammer des Verwaltungsgerichtes nahm hier den Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2021 an.

Es bleibt abzuwarten, ob durch Rechtsmitteleinlegung auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sich mit dieser Frage beschäftigen wird und insofern eine höchstrichterliche Entscheidung erwartet werden kann.

Downloads:

  • VG Berlin, Beschluss vom 9. September 2022 (Az.: 19 L 112/22)
  • Pressemitteilung 23 des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Mai 2023
  • Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen vom 16. Mai 2023

 

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