Urteil des Landgerichts Berlin: Frage der zulässigen Untervermietung an Familienmitglied

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Das Landgericht Berlin hatte durch Beschluss vom 24. Februar 2022 (Az.: 65 S 202/21, juris) über die Frage des berechtigten Interesses eines Mieters an einer Untervermietung entschieden. Es kommt zu dem Ergebnis, dass kein berechtigtes Interesse an der Überlassung der Wohnung ausschließlich für die Nutzung durch den Bruder der Mieterin gegeben ist.

Sachverhalt

Im Ausgangsfall ging es um einen Räumungsanspruch des Vermieters gegen die Mieterin sowie deren Untermieter (ihren Bruder). Der Vermieter hatte mit dem Argument gekündigt, dass eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung der Mieterin vorliege, da sie den vermieteten Wohnraum nicht selbst bewohne, sondern einem Familienmitglied zum selbstständigen, unbefristeten Gebrauch überlassen habe.

Das Amtsgericht Berlin hatte den Räumungsanspruch des Vermieters gegen die Mieterin und den Untermieter bestätigt. Auf die eingelegte Berufung der Mieterin hin hat das Landgericht Berlin ausgeführt, dass es beabsichtigte, die Berufung zurückzuweisen. Es sah keine Aussicht auf Erfolg für die Berufung.

Begründung

Zunächst führt das Landgericht Berlin unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nochmals aus, dass als berechtigt jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen ist, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht.

Dass Mieter in einer Stadt mit einem angespannten Wohnungsmarkt mehrere Wohnungen mieten, ohne sie selbst zu bewohnen, rechtfertigt im Hinblick auf den erheblichen Eingriff des Gesetzgebers in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Vermieters, Art. 14 GG, kein Interesse des Mieters, das mit der geltenden, Veränderungen unterliegenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht.

Im vorliegenden Fall sei ein derartiges Interesse nicht gegeben. Die von der Vermieterin ausgesprochene Kündigung hat damit zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt und begründet den Räumungsanspruch gegenüber der Beklagten und auch dem Untermieter. Es liegt eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung vor. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, einem Dritten den Gebrauch der Mietsache zu überlassen. Die Gebrauchsüberlassung erfasst jede Überlassung, nicht nur eine Überlassung aufgrund einer Weiter- oder Untervermietung.

Die Beklagten hatten sich auf die Rechtsprechung des BGH zur Untervermietung berufen und auf ein vorliegendes berechtigtes Interesse an der Überlassung des Wohnraums an einen Dritten.

Das Amtsgericht und ihm nachfolgend das Landgericht Berlin haben hier jedoch kein berechtigtes Interesse anerkannt. Die Mieterin hat nie ihren Lebensmittelpunkt in der gegenständlichen Wohnung begründet, sondern gemeinsam mit ihren Eltern beschlossen, die Wohnung für den Bruder zu mieten und ihm zu überlassen. Sie selbst wohnte und wohnt bis jetzt gemeinsam mit ihrem Ehemann und Kindern in einer Wohnung in der S.-straße in Berlin. Schon daraus ergibt sich, dass sie selbst nie beabsichtigte, die Wohnung als solche zu nutzen. Sie hat die Wohnung nicht für sich, sondern ihren Bruder gemietet.

Das Interesse an der Gebrauchsüberlassung lag demnach dem Vertrag bereits zugrunde. Es ist nicht (erst) nach Abschluss des Mietvertrages entstanden. Die beklagte Mieterin ist auch selbst nie in die Wohnung eingezogen, sondern hält sich allenfalls besuchsweise dort auf. Sie hat mithin die Wohnung dem Bruder nicht nur teilweise, sondern vollständig überlassen. Zwar kann auch über den Wortlaut des § 553 Abs. 1 BGB hinaus eine – nahezu – vollständige Überlassung der Wohnung einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis begründen. Voraussetzung ist dann jedoch eine zeitliche Begrenzung bzw. die Rückkehrabsicht des Mieters in die Mietwohnung (BGH, Urteil vom 11. Juni 2014, Az.: VIII ZR 349/13).

Diese Situation war zu keinem Zeitpunkt gegeben. Die Mieterin hat nie diese Wohnung bewohnt und will es auch nicht, da sie mit Ehemann und zwei Kindern dauerhaft in einer anderen Wohnung in Berlin-Weißensee wohnt.

Auch der Umstand, dass die Vermieterin den Bruder der Mieterin – in Unkenntnis der Tatsachen – in eine Wohnungsgeberbestätigung aufnahm, rechtfertigt keine andere Bewertung. Entscheidend sei, dass er die Wohnung unstreitig allein bewohnte und gerade nicht mit der Mieterin.

Weiter führt das Landgericht Berlin aus, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis auch deshalb nicht in Betracht komme, weil ein berechtigtes Interesse der Mieterin im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB fehle, neben der mit Ehemann und Kindern bewohnten Wohnung in derselben Stadt, die einen angespannten Wohnungsmarkt aufweist, eine Zweitwohnung innezuhalten.

Download: AG Berlin-Mitte, Urteil vom 9. Februar 2023 – 27 C 137/22 –, juris

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09-23_verstoss_gegen_das_agg_bei_vermietung_anlage_aus_zmr
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