Novelliertes Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) am 19. August 2021 verabschiedet

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Das 2016 erstmals in Kraft getretene Berliner Energiewendegesetz bildet den gesetzlichen Handlungsrahmen für die Berliner Klimaschutzpolitik. Mit Verabschiedung der Novelle am 19. August 2021 durch das Abgeordnetenhaus passt Berlin nun seine Klimaziele und -maßnahmen an das Klimaschutzabkommen von Paris an. Die Ambitionen zur Verschärfung der Klimaziele sind aus Sicht des BBU, wie berichtet, durchaus wichtig und nachvollziehbar. Es bestehen jedoch Zweifel, ob die EWG-Novelle als gesetzlicher Rahmen hierfür ausreichend praxisgerecht und die Zielerreichung gesamtwirtschaftlich ausgewogen sowie sozialverträglich möglich ist.

Mit Verabschiedung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes (EWG Bln) verpflichtet Berlin sich dazu, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 70 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Bis spätestens 2045 soll der Ausstoß des klimaschädlichen Gases um mindestens 95 Prozent abnehmen. Bisher waren die Zielwerte mit einem Minus bei den CO2-Emissionen von 60 Prozent bis 2030 und um 85 Prozent bis 2050 weniger ambitioniert.

Wesentliche Maßnahmen, mit denen die Klimaziele erreicht werden sollen, sind Folgende:

CO2-Budget und Sektorziele
Das EWG Bln gibt vor, dass im Rahmen eines Berliner Energie- und Klimaschutzprogrammes oder sonstigen Gesamtprogrammes Strategien und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele festgelegt werden. Dazu zählen Sektorziele zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen insbesondere in den Sektoren Energieversorgung, Gebäude, Wirtschaft und Verkehr sowie die Festlegung der Gesamtmenge an Kohlendioxidemissionen, die im Zeitraum der fünf auf die Beschlussfassung des Programms folgenden Kalenderjahre höchstens emittiert werden soll.

Solarpflicht und höhere Energiestandards bei öffentlichen Gebäuden
Ab Inkrafttreten des Gesetzes müssen bei Neubau öffentlicher Gebäude sowie im Rahmen einer Nachrüstung im Bestand (bis Ende 2024 und soweit statisch möglich) Solaranlagen auf Dachflächen errichtet werden.
Beim Neubau öffentlicher Gebäude ist mindestens der Effizienzhaus 40-Standard einzuhalten, noch energieeffizientere Bauweisen sind anzustreben. Für größere Renovierungen gilt grundsätzlich der Effizienzhaus 55-Standard.

Wichtig: Die Gebäude der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind keine öffentliche Gebäude im Sinne des EWG.

CO2-freie öffentliche Fahrzeugflotte und mehr Ladeinfrastruktur
Die von der öffentlichen Hand genutzten Kraftfahrzeugflotten sollen bis Ende des Jahres 2030 vollständig auf im Betrieb CO2-freie Fahrzeuge umgestellt werden. Von den Umstellungsplänen kann allerdings abgewichen werden, solange und soweit erforderliche Ladeinfrastruktur nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im gesamten Stadtgebiet soll mit dem EWG Bln gefördert werden. Ziel ist dabei ein Verhältnis von insgesamt mindestens einem Ladepunkt für je 10 zugelassene Fahrzeuge.

Klimaneutrale Fernwärme
Im EWG Bln werden Vorgaben für den Anteil von erneuerbaren Energien in der Fernwärme formuliert. Betreiber allgemeiner Wärmeversorgungsnetze werden verpflichtet, für ihre Wärmenetze einen Dekarbonisierungsfahrplan aufzustellen, der an dem Ziel einer CO2-freien Fernwärmeversorgung spätestens zwischen den Jahren 2040 und 2045 ausgerichtet ist. Als Zwischenziel soll ab dem Jahr 2030 ein Anteil der transportierten Wärme von mindestens 40 % aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erreicht werden. Auf diese Weise sollen langfristig die fossilen Brennstoffe wie insbesondere Kohle und Erdgas als Energieträger verschwinden.

Monitoring von Wärmedaten
Die zuständige Senatsverwaltung und die Bezirke sollen "zum Zweck der Wärmeplanung erforderliche Wärmedaten zu erheben". Gesammelt werden sollen anonymisierte Angaben zum Energieverbrauch von Gebäuden, zur Abwärme bei Gewerbebetrieben und zum Alter sowie zum Brennstoffverbrauch von Heizungsanlagen. Senat und Bezirke sollen die Informationen nutzen, um Wärmeplanungen zu erstellen und weitere Strategien zur Energieeinsparung zu entwickeln.

Auch wenn die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und ihre Wohnungsbestände nicht direkt vom EWG Bln adressiert werden, so gelten die neuen Klimaziele dennoch für ganz Berlin und die gesamte Gesellschaft, beispielsweise infolge der Einführung der Fernwärmeregulierung. Damit haben auch die Umsetzungsinstrumente einen erheblichen Einfluss auf die Wohnungswirtschaft insgesamt. In Begleitung der Umsetzung des EWG Bln sollten daher die entstehenden Folge- und Wechselwirkungen in und zwischen den unterschiedlichsten Bereichen mit Augenmerk auf Praktikabilität und Sozialverträglichkeit beobachtet und gegebenenfalls konstruktiv eingegriffen werden, damit durch die Novellierung des EWG keine gesellschaftliche Schieflage entsteht.

Die neue Gesetzesfassung des EWG Bln tritt in Kraft, sobald sie im „Gesetz- und Verordnungsblatt von Berlin” verkündet wird. Die nichtamtliche Lesefassung in der Fassung der Gesetzesnovelle vom 19. August 2021 ist in unserem Downloadbereich verfügbar.

Weitere allgemeine Informationen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zur Klimaschutzpolitik in Berlin sind unter folgendem Link abrufbar: https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/

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 Julia Stoyan
Julia
Stoyan
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